Vor dem Topspiel in Leipzig steht hinter dem Einsatz von 13 Bayer-Profis mindestens ein Fragezeichen. Trainer Kasper Hjulmand muss improvisieren. Außer im Tor ist bei keinem Spieler der Leverkusener Bestbesetzung klar, dass er auch auf seiner idealen Position beginnen wird.
Hjulmand muss umbauen
Vom Papier her ist es das Topspiel der Bundesliga am Wochenende. In dem sich Bayer die große Chance bietet, die positive Entwicklung nach dem Wechsel auf dem Trainerposten zu Kasper Hjulmand nach dem 2. Spieltag damit zu unterstreichen, dass man mit dem derzeitigen Tabellenzweiten aus Leipzig gleichzieht. Ein Szenario, das nach Kader-Umbruch, Fehlstart und doppeltem Trainerwechsel im Sommer als absoluter Erfolg zu werten wäre.
Dass Bayer mit Kofane planen kann, ist angesichts Schicks drohenden Ausfalls wichtig
Doch ins Spitzenspiel geht der Werksklub wie auch Gegner Leipzig mit größten personellen Sorgen – nicht nur, aber vor allem wegen des Afrika-Cups. Vier Profis muss Leverkusen für den am Samstag startenden Wettbewerb abstellen. So werden Edmond Tapsoba (Burkina Faso), Ibrahim Maza (Algerien) und Eliesse Ben Seghir (Marokko) in Leipzig fehlen – allerdings nicht Christian Kofane. Hat der Werksklub doch mit dem Fußballverband Kameruns vereinbart, dass der 19-jährige Mittelstürmer erst nach dem Leipzig-Spiel anreisen muss. Die Abstellungsfrist begann eigentlich bereits am Montag.
Bayers Bemühungen könnten sich jetzt auszahlen. Steht doch hinter dem Einsatz von Torjäger Patrik Schick, der vergangene Woche in der Champions League gegen Newcastle (2:2) eine große Wunde am Knöchel erlitt und im Derby gegen den 1. FC Köln (2:0) ausfiel, ein Fragezeichen. Und dies ist nicht das einzige Problem in Leverkusen.
In der Dreierabwehrkette wird jede Position neu besetzt
So ist Hjulmand in der Dreierabwehrkette gezwungen, komplett von seiner Bestbesetzung abzuweichen. Da der englische Nationalspieler Jarell Quansah (Gelb-Sperre) als rechtes und Tapsoba als linkes Glied wegbrechen, muss der erfolgreich vom Sechser zum Abwehrchef umfunktionierte Robert Andrich rechts in der Dreierreihe verteidigen. So dass der fürs Zentrum geholte, aber zuletzt formschwache Loic Badé zentral in der Abwehr in die Elf rutscht. Links wird Jeanuel Belocian beginnen, der nach Kreuzbandriss bislang zwei Startelfeinsätze absolvierte. Das heißt: Alle drei Positionen werden neu besetzt – und zum Teil auch alles andere als ideal für so ein Topspiel.
Doch Hjulmand muss nicht nur in der Abwehr auf eine B-Besetzung zurückgreifen. Da er Andrich hinten benötigt, stehen ihm gleich vier Kandidaten für die Doppelsechs nicht zur Verfügung. Weltmeister Exequiel Palacios, der am Dienstag erstmals nach seiner Adduktorenoperation mit der Mannschaft trainierte, ist noch lange nicht spielfit; für dessen argentinischen Landsmann Ezequiel Fernandez, der gegen Köln erstmals im Spieltagsaufgebot stand, kommt die Startelf nach Bänderverletzung im Knie zu früh; Maza, der in der Not vom offensiven ins defensive Mittelfeld gerutscht war und dort seitdem glänzt, weilt bereits in Algeriens Team-Camp für den Afrika-Cup.
Auf der Doppelsechs muss der Trainer für die Startelf ohne Vier planen
Folglich muss Hjulmand für die Doppelsechs ohne Vier planen. So dass Zehner Malik Tillman wie am 4. Spieltag beim 1:1 gegen Gladbach neben Aleix Garcia als Sechser spielen dürfte. Vorausgesetzt, der Spanier selbst, der angeschlagen gegen Köln startete und seitdem nicht mit dem Team trainierte, meldet sich einsatzbereit. Angesichts des personellen Engpasses ist es auch denkbar, dass Allzweck-Profi Alejandro Grimaldo als Sechser aushilft. In Anbetracht des Personals dürfte Hjulmand aber zum ursprünglichen 3-4-2-1 und Grimaldo damit auf seine Position als linker Schienenspieler zurückkehren.
Doch wie hinter Aleix Garcia steht auch hinter dem Schlüsselspieler, der gegen Köln wegen muskulärer Probleme passen musste, ein – eher kleines – Fragezeichen. Gleiches gilt für Kofane, der gegen Köln ausgewechselt wurde, weil er nicht topfit in die Partie ging, und am Dienstag individuell arbeitete, als seine Kollegen ein intensives Trainingsspiel absolvierten. Doch bei diesem Trio stehen die Einsatzchancen mit am besten.
Bislang fand Hjulmand bei Ausfällen fast immer eine passende Lösung
Auf den Außenbahnen droht eine ähnlich eingeschränkte Auswahl wie in der Abwehr oder dem defensiven Mittelfeld. Während mit Lucas Vazquez, der nach langwierigen Rückenproblemen wieder mit der Mannschaft trainiert, die vermeintliche Idealbesetzung für die rechte Schiene zumindest als Startelfoption sicher ausfällt, droht dies auch beim linken Flügelspieler Ernest Poku, der gegen Köln mit einer Oberschenkelverletzung ausgewechselt werden musste. Mit Defensiv-Talent Axel Tape, das nach einer Muskel-Sehnenverletzung zuletzt zweimal den Sprung in das Spieltagsaufgebot schaffte, aber wie Fernandez nach seiner Verletzungspause noch ohne Einsatzminute blieb, kann Hjulmand ebenfalls für die rechte Seite nicht wirklich für die Startelf planen.
Wie bei Gegner RB, dem auch bis zu zehn Akteure und darunter der komplette erste Sturm fehlen wird, kann von einer Bestbesetzung nicht annähernd die Rede sein. Wobei Bayer von einer gewissen Ausfall-Problematik durch die Hinrunde begleitet wird – und Hjulmand fast immer passende Lösungen fand.
In der Defensive verfügt Hjulmand über keine gelernten Alternativen mehr
Doch diesmal ist die Personalsituation noch angespannter als bislang. So müsste der Trainer besonders im Defensivbereich kreative Lösungen finden, falls im Spielverlauf ein Akteur aus der Dreierkette oder dem defensiven Mittelfeld frühzeitig ausgewechselt werden müsste. Dann blieben Hjulmand nur positionsfremde Akteure oder solche wie Tape oder Fernandez, die dann einen absoluten Kaltstart hinlegen müssten.
Geht man von einer potenziellen Bestbesetzung bei Bayer mit Fleckken – Quansah, Andrich, Tapsoba – Aleix Garcia, Palacios – Vazquez, Maza, Grimaldo, Poku – Schick aus, stünde im Moment einzig bei Torhüter Mark Flekken fest, dass dieser auf seiner Idealposition beginnen kann. So könnte folgende Elf in Leipzig starten: Flekken – Andrich, Badé, Belocian – Arthur, Aleix Garcia, Tillman, Grimaldo – Hofmann, Terrier – Kofane.
Von beiden Trainer dürfte hohe Improvisationskunst gefragt sein
Klar ist: Beide Mannschaften, Bayer 04 und RB, werden sich aufgrund der zur Verfügung stehenden Einzelspieler, deren Verfassung und ihres Einsatzbereichs nicht zwingend auf dem anhand der Paarung zu erwartendem Topspiel-Niveau bewegen können. Von beiden Trainern wird hingegen wahrscheinlich auch während der 90 Minuten hohe Improvisationskunst gefragt sein, die sich aufgrund der widrigen Voraussetzungen auf absolutem Topspiel-Niveau bewegen muss, um alle Ausfälle aufzufangen.
